Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland

1 Entwicklung des Denkmalschutzgedankens

1.1 Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Initiativen

Großen Anteil an der Weckung des öffentlichen Interesses für Denkmalschutz und Denkmalpflege hatten von Beginn des 19. Jahrhunderts an die Altertums-, Heimat-, Denkmalpflege- und auch Architektenvereine. Der Anstoß zu dieser breiten Bewegung für den Denkmalschutz war vom Untergang oder drohenden Verfall bedeutender Kathedralen, Klosterkirchen, Burgen und Schlösser ausgegangen. Der Wandel vom Agrar- zum Industriestaat und der damit verbundene Verlust historischer Stadt- und Ortsbilder sowie traditioneller Bauformen führte um 1900 zu einer ersten Protestbewegung. Seinerzeit stellten Geistes- und Naturwissenschaftler, Künstler, Architekten, Denkmalpfleger und Naturschützer den Zusammenhang von Landschaft und kulturellem Umfeld für die soziokulturelle Identität des Menschen heraus und forderten Maßnahmen zum Schutz des gesellschaftlichen Eigentums. Dabei ging es nicht allein um die Bewahrung des baukulturellen und archäologischen Erbes, sondern auch um den Schutz von Natur und Landschaft, die Pflege des Brauchtums und die Förderung landschaftsgebundener Bauweise. Daraufhin wurden öffentliche Mittel für den Denkmalschutz bereitgestellt, Stellen für Konservatoren eingerichtet und erste Gesetze zum Schutz von Natur und Landschaft erlassen.

Private Vereinigungen waren auch wichtig für ein Umdenken im Sinne von Denkmalschutz und Denkmalpflege in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Viele im Krieg beschädigte Gebäude wurden nicht repariert, sondern durch neue ersetzt; historische Stadtgrundrisse fielen dem Ideal der autogerechten Stadt zum Opfer. Dagegen wehrten sich zahlreiche Bürgerinitiativen. Sie gaben den Anstoß, die Politik in der Stadtentwicklung zu überdenken und sich am historischen Bestand zu orientieren.

Bis heute werden Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland stark vom bürgerschaftlichem Engagement getragen: Vereine und Interessenverbände setzen sich für die Bewahrung, Instandsetzung und Präsentation von Bau- und Bodendenkmalen ein. Sie sind die Säulen einer aktiven Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit in Denkmalschutz und Denkmalpflege. In der Regel arbeiten sie eng mit den Denkmalfachbehörden der Länder und den für den Denkmalschutz zuständigen kommunalen Ämtern zusammen.

Die Rahmengesetzgebung des Bundes sowie die Denkmalschutzgesetze der Länder (s. 4.2) sehen dementsprechend eine ressortübergreifende Zusammenarbeit der für die Erhaltung des baulichen Erbes verantwortlichen Stellen vor.

Lit.:   

Denkmalpflege in Deutschland. Eine Einführung
Kiesow, Gottfried, 4. Aufl., Wiss. Buchgesellschaft Darmstadt, 2000,
ISBN 3-8062-1488-3

Empfehlung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, « Bürgernahe Denkmalpflege », Wiesbaden, 26.11.2000, in « Denkmalschutz Informationen » DNK, Bonn, 4/2000.

www.nationalkomitee.de
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1.2 Kulturelles Erbe als Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung

Im Zuge des Wiederaufbaus, der wirtschaftlichen Expansion und des Straßenbaus wurde in der Nachkriegszeit bis in die Siebzigerjahre hinein mancherorts mehr historische Substanz und damit auch Bau- und Bodendenkmale vernichtet als durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges. Ein Wertewandel trat ein, als Wachstums- und Fortschrittsgläubigkeit kritisiert und zunehmend in Frage gestellt wurden. Der Denkmalschutz ist häufig der Anlass gewesen, die Stadterneuerungs- und Landesentwicklungspolitik insgesamt zu überdenken und den Weg einer erhaltenden Stadterneuerung und verantwortungsvollen Fortentwicklung der historischen Kulturlandschaft einzuschlagen. Das Europäische Denkmalschutzjahr 1975 markiert diesen Wendepunkt.

Denkmalschutz und Denkmalpflege galten fortan nicht mehr als Hemmnis, sondern als Motor für Stadtentwicklung, standortbedingte Attraktivität und landschaftsspezifische Unverwechselbarkeit. Neue Gesetze, administrative Maßnahmen, staatliche Förderprogramme und nicht zuletzt Steuervergünstigungen haben bundesweit dazu beigetragen, Denkmalschutz und Denkmalpflege nachhaltig zu fördern und ihren Stellenwert sichtbar zu machen.

Die Achtzigerjahre sind die Reife- und Blütezeit dieser Entwicklung, im bundesdeutschen Nachkriegsstädtebau gelten sie als die Periode der erhaltenden Stadterneuerung, in der Landesentwicklung als Zeit der identitätsstiftenden Akzentuierungen. Die historischen Stadtgrundrisse bewahren, alte Bausubstanz behutsam erneuern, prägende Bodendenkmäler integrieren, die Wachstumspotenziale nutzen, um der alten Bausubstanz neues Leben zu geben, das sind die Fundamente dieser bewahrenden Politik. In den Neunzigerjahren wurde dieser Weg fortgesetzt und mit sichtbarem Erfolg auch in den neuen Bundesländern beschritten. Dort waren die historischen städtebaulichen Strukturen in großen Teilen erhalten geblieben, der Zustand der Bausubstanz war jedoch aufgrund der verfehlten DDR-Baupolitik überwiegend katastrophal.

Städte, Dörfer und Landschaften in den neuen Ländern haben von den Erfahrungen der alten Bundesrepublik vielfach profitiert. Die Fehler der westdeutschen Wiederaufbauphase konnten dort vielerorts vermieden werden, die historische Substanz wurde zum Ausgangspunkt und Leitbild der urbanen Renovierung. Als besonders erfolgreich erwies sich hierbei das Sonderprogramm "Städtebaulicher Denkmalschutz" im Rahmen der Städtebauförderung. Gleichwohl kam es aber auch hier zu Verwerfungen, weil durch die exzessive Nutzung der Sondersteuerabschreibungen und eine großzügige Genehmigungspraxis selbst denkmalwerte Bau- und Gartenanlagen sowie Objekte von archäologischem Interesse erheblich beeinträchtigt oder gar zerstört wurden.

Siehe auch Empfehlung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz : « Für Nachhaltigkeit und Baukultur », Leipzig, 27.10.2000

www.nationalkomitee.de
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1.3 Kurzfristige und mittelfristige Schwerpunkte der Denkmalpolitik

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland vor neuen Herausforderungen, wie in den Siebzigerjahren kündigt sich ein Paradigmenwechsel an. Im Gegensatz zum vorangegangenen wird er aber nicht von interdisziplinär und auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen geführten Diskussionen vorbereitet und begleitet. Die vermeintlichen und tatsächlichen Zwänge von Globalisierung und Strukturwandel und der damit einhergehende Veränderungsdruck, aber auch die schwierige Finanzsituation der öffentlichen Haushalte sind die bestimmenden Faktoren.

Allzu oft sind Kosten und kurzfristige Einspareffekte, nicht aber kultureller Wert und nachhaltige Wirkung die ausschlaggebenden Kriterien. Der politische Wille zu "neuem Wachstum" und "schnellem Handeln" fördert heute die Neubau- und Expansionsmentalität und schwächt behutsame Erneuerungsstrategien. Dabei sind letztere nach wie vor gefragt, insbesondere in Hinblick auf die in großer Zahl frei werdenden Bahnanlagen und Kasernen, die großindustriellen Brachflächen vor allem in den ostdeutschen Ländern, die Sanierungsnotwendigkeiten im Massenwohnungsbau und angesichts der Überforderung vieler Glaubensgemeinschaften mit ihrer Verantwortung für zu große und oftmals nicht mehr benötigte Kirchen. Neue Gefahren erwachsen der historischen Bausubstanz – besonders in den neuen Ländern – durch das Problem der "schrumpfenden Stadt". Das Überangebot von Wohnungen bei zunehmender Abwanderung ins Umland und insgesamt abnehmender Bevölkerung führen zu bedrohlichem Leerstand in den Altstädten.

Denkmalschutz und Denkmalpflege jedoch scheinen ihre politische Lobby verloren zu haben und auf das verbale Bekenntnis am Tag des offenen Denkmals reduziert zu sein. Im Schatten der alles beherrschenden Schlagworte Deregulierung, Investition und Innovation drohen Bewahren und Erhalten wieder als Inbegriffe für Fortschrittsfeindlichkeit und Investitionshemmnis missbraucht zu werden. Gesetzesnovellierungen zielen auf eine Senkung des erreichten Standards ab, die Förderetats sind drastisch zurückgefahren worden, Stellenpläne werden kontinuierlich gekürzt. Die Verantwortung für das baukulturelle und archäologische Erbe ist in Gefahr, immer weniger als staatlicher Kulturauftrag und zunehmend als private Aufgabe der Zivilgesellschaft definiert zu werden.

Ziel von Denkmalschutz und Denkmalpflege ist es, Grundlagen und Rahmenbedingungen zu erarbeiten, um gewachsene historische Strukturen zu erhalten, gegebenenfalls mit neuer Architektur und Gestaltungselementen störungsfrei zu verknüpfen und nachhaltige Perspektiven für die Orte gesellschaftlichen Lebens und der gesellschaftlichen Identitätsfindung zu eröffnen. Die Fachdisziplin muss die Grundlagen liefern und vermitteln. Eine breite öffentliche Akzeptanz ist die Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Denkmalschutz und Denkmalpflege. Der Staat schließlich muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen und garantieren.

Denkmalschutz und Denkmalpflege sind also auf allen Ebenen gefordert, sie müssen nicht nur reagieren, sondern sich an dem sich abzeichnenden Prozess aktiv beteiligen. Ihre Positionen im gesellschaftlichen Wertesystem sind zu analysieren, gegebenenfalls neu zu definieren und zu konturieren.

Dafür ist es im Einzelnen notwendig,

  • INNERHALB DER DENKMALPFLEGE:
    Anspruch und Wirklichkeit anhand einer umfassenden Erhebung zu evaluieren, die Theorie und Methoden des Faches zu überprüfen und fortzuschreiben, die Kommunikationsfähigkeit zu pflegen und zu schulen, noch vorhandene restriktive und reaktive Handlungsmuster durch werbende und offensive, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Strategien zu ersetzen, eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit als Bestandteil des Tagesgeschäftes auf- und auszubauen,
     
  • ZWISCHEN DEN EINSCHLÄGIGEN INSTITUTIONEN:
    strategische Allianzen zu bilden, eine effektive Arbeitsteilung zu organisieren, Kooperationen zu stärken,

  • IN DER GESELLSCHAFT:
    einen Diskurs über historisches Erbe, Baukultur und Urbanität anzustoßen, lokale und regionale Unverwechselbarkeit in einer globalisierten Welt zu garantieren, unverzichtbare Grundlagen für die Bewahrung von Heimat anzubieten, sich als Mittler zwischen Vergangenheit und Zukunft auszuweisen,

  • IN DER POLITIK:
    Denkmalschutz und Denkmalpflege als wichtiges Segment im Kontext mit anderen Politikfeldern zu definieren, als wirksamen Beschäftigungs- und Standortfaktor herauszustellen, die Erhaltung des kulturellen Erbes unter den Aspekten der Ökologie und der Ressourcenschonung als wesentlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu verankern.

Als Maßnahmen kommen dafür in Betracht:

  • Bewährte Einrichtungen (Denkmalfach- und -schutzbehörden) zu erhalten und zu stärken, damit sie sich den wandelnden Anforderungen anpassen können,
     
  • verstärkte Lehrangebote für die theoretischen und praktischen Grundlagen von Denkmalschutz und Denkmalpflege,
     
  • zusätzliche Qualifizierungsangebote für die berufsvorbereitende und berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung in Denkmalpflege und Denkmalmanagement,
     
  • Aktivierung der verschiedenen Foren für Baukultur sowie Bau- und Bodendenkmalpflege im Sinne strategischer Allianzen und intensivierter Kooperationen,
     
  • Stärkung des ehrenamtlichen Engagements und bürgerschaftlicher Initiativen bei der Trägerschaft und der Erhaltung von Denkmälern sowie der Vermittlung des Denkmalschutzgedankens.



1.4 Übernahme Europäischer Standards

1.4.1 Übereinkommen

1.4.1.1 Übereinkommen von Granada (3. Okt. 1985)

Das Übereinkommen zum Schutz des europäischen architektonischen Erbes (Granada, 3. Oktober 1985) wurde von Deutschland ratifiziert. Viele der Ziele dieses Übereinkommens haben die Denkmalschutzpolitik in Deutschland entscheidend mit beeinflusst.

1.4.1.2 Übereinkommen von La Valetta (16. Jan. 1992)

Das Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes in Europa (La Valetta / Malta, 16. Januar 1992) wurde von Deutschland im Jahre 2003 ratifiziert.

1.4.1.3 Übereinkommen von Florenz (20. Okt. 2000)

Deutschland hat das Europäische Kulturlandschafts-Übereinkommen (Florenz, 20. Oktober 2000) bisher nicht ratifiziert.

 

1.4.2 Empfehlungen

Viele Themen, die der CC-PAT seit 1975 bearbeitet hat, haben den Denkmalschutz in Deutschland entscheidend mit beeinflusst. Sie wären möglicherweise noch wirksamer geworden, wenn sie in allgemein ansprechender Form (z. B. im Informations-Bulletin des Europarates) veröffentlicht und mit Fallbeispielen und/oder kurzen Aufsätzen belegt worden wären. Abgesehen von der Idee des integrierten Denkmalschutzes ("integrated conservation"), dem Leitgedanken des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975, sind für Deutschland insbesondere folgende Schwerpunktthemen zu nennen:

Kampf gegen Umweltschäden an Denkmälern (88/5)

Dieses von Österreich, Deutschland und der Schweiz im Hinblick auf die Ministerkonferenz in Granada im Oktober 1985 eingebrachte Thema (s. Resolution Nr. 4 der Konferenz von Granada "on the physical conservation of the architectural heritage and the need to combat pollution") führte in Deutschland zu einem umfassenden Forschungsprogramm der Bundesregierung. Das Projekt lief von 1985 bis 1998 und wurde mit 364 Mio. DM gefördert. Die Ergebnisse werden jetzt mit Hilfe von neu eingerichteten Instituten in den Bundesländern für die Praxis nutzbar gemacht.

Zu den Auswirkungen der Resolutionen des Europarates zu diesem Thema gehört das 1988 zwischen Deutschland und Frankreich vereinbarte bilaterale Forschungsvorhaben zum Steinzerfall und zur Erhaltung von umweltgeschädigten historischen Glasfenstern. Das Projekt lief von 1989 bis 1997, das Sekretariat hatte seinen Sitz in Champs sur Marne. Die Finanzierung teilten sich Deutschland und Frankreich.

Handwerk in der Denkmalpflege (81/3 und 86/15)

Die Sensibilisierung für die Notwendigkeit und den Wert traditioneller Handwerkstechniken und –berufe bei der Erhaltung des baulichen Erbes und die damit verbundene, dringend erforderliche Fortbildung für Handwerker sind erstmals in einem Europarat-Symposium in Fulda 1980 und einer Anschlussveranstaltung in Würzburg 1984 ausführlich diskutiert und auf eine breitere Grundlage gestellt worden.

Für Deutschland hatten diese Symposien und die dort verabschiedeten Empfehlungen entscheidende Bedeutung:

1980 wurde noch während des Symposiums in Fulda das heutige "Deutsche Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege Propstei Johannesberg Fulda" nach dem Vorbild von San Servolo/Venedig gegründet. Fulda war das erste Fortbildungszentrum dieser Art in Deutschland, es folgten – insbesondere nach der Wiedervereinigung 1990 – ähnliche Einrichtungen auch in den östlichen Bundesländern.

Die Handwerksverbände, allen voran auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks, sieht heute Arbeiten in der Denkmalpflege als wichtige und auch ökonomisch lohnende Aufgabe an. Daher bieten die Handwerkskammern in den Bundesländern verstärkt Fortbildungskurse in der Denkmalpflege an. Diese Fortbildung wird unterstützt von Fachleuten aus der Denkmalpflege.

Erhaltung von Bauten der Technik und Industrie (90/20)
Erhaltung des baulichen Erbes des 20. Jahrhunderts (91/13)

Zu diesem wichtigen, allein in Hinblick auf Größe und Lage (Industrieerbe) sowie aufgrund des bisweilen spröden Charmes (bauliches Erbe des 20. Jahrhunderts) oft schwer vermittelbaren Denkmalbestand sind die Empfehlungen des Europarates hilfreich gewesen. Sie haben die Sensibilisierungsbemühungen für diese Bereiche in Deutschland unterstützt. Die Praxis zeigt allerdings, dass hier noch viel zu tun bleibt, damit sich die Gefährdungen dieser Denkmäler reduzieren.

Das "Jahr der Industriekultur 2000" war Deutschlands offizieller Beitrag zur Europaratkampagne "Europa, ein gemeinsames Erbe". Außer dem Land Nordrhein-Westfalen, dessen Programm besonders reichhaltig war, beteiligten sich an diesem Programm die Länder Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Fortbildung von Architekten, Stadtplanern ... (80/16)
Erhaltung von Stadträumen ... (86/11)
Stadtarchäologie/ Archäologie und Landesplanung (89/5)

Die diesen Empfehlungen zugrunde liegenden Probleme sind nach wie vor aktuell, haben sich sogar z. T. dadurch verschärft, dass die Planungen der öffentlichen Hände heute weitgehend von Investoren ersetzt werden. Das bedeutet, dass hier nach neuen Wegen gesucht werden müsste, damit die historische Stadtgestalt trotz des wachsenden wirtschaftlichen Drucks auch künftig erhalten und erlebbar bleibt. Dies wäre ein wichtiges Schwerpunktthema für die Arbeit des Europarates, denn vielfach ähnelt die Situation heute wieder derjenigen, die zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 geführt hatte.

In Deutschland gingen die Aktivitäten von der Konferenz in Granada 1977 aus. Damals begann eine umfassende Kampagne zur Sensibilisierung und zur Entwicklung von speziellen Methoden der Erfassung des baulichen Erbes und der Planung im ländlichen Raum sowie spezielle staatliche Förderprogramme. Höhepunkt der Kampagne war eine Tagung unter der Schirmherrschaft des Europarates und in Zusammenarbeit mit Frankreich/Elsaß und der Schweiz in Baden-Württemberg (Merdingen) 1988 unter dem Motto "Das Dorf im Wandel - Denkmalpflege im ländlichen Raum".

Die Erklärungen und Resolutionen der 4. Europarat-Ministerkonferenz in Helsinki (31. Mai 1996) haben in Deutschland mit dazu beigetragen, die interdisziplinäre Diskussion über den Beitrag von Denkmalschutz und Denkmalpflege zu Ressourcenschonung, nachhaltiger Entwicklung, Wirtschaftsförderung und Tourismusförderung zu intensivieren und diesen Beitrag auch öffentlich zu machen. Ein wesentlicher Baustein war hierbei der internationale Kongress "Denkmalpflege und Beschäftigung", den die Bundesregierung, das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz und die Europäische Union im Rahmen der Deutschen EU-Präsidentschaft im April 1999 in Berlin durchführten.

Die Entschließungen der 5. Europarat-Ministerkonferenz vom 05. – 07. April 2001 in Portoro beeinflussen die Denkmalpolitik in Deutschland nicht nur hinsichtlich der bereits in den Empfehlungen von Helsinki genannten Themen, sondern auch hinsichtlich der Stärkung bürgerschaftlichen Engagements und der Teilnahme am Projekt HEREIN.

Lit.:   Denkmalpflege und Beschäftigung, Band 62 der Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz 2000, 207 Seiten, Deutsch/Englisch/Französisch, ISSN 0723-5747